Städtepartnerschaften
Städtepartnerschaften tragen zur Internationalisierung einer Stadt bei und sind Zeichen der Völkerverständigung, der Offenheit und der Toleranz. Die direkten Begegnungen mit Menschen aus Partnerstädten können Vorurteile abbauen und gegenseitiges Vertrauen fördern. Denn wenn Menschen zusammenfinden und sich austauschen, können sie – nicht nur geografische – Grenzen überwinden.
Aktuell pflegt die Stadt Bedburg zwei Städtepartnerschaften – eine innerdeutsche und eine internationale.
Bereits seit 1990 bestehen Kontakte mit der Stadt Vetschau (Spreewald) im Landkreis Oberspreewald-Lausitz im Süden des Bundeslandes Brandenburg, die seit 2002 in einer offiziellen Städtepartnerschaft mündeten.
Außerdem hat die Stadt Bedburg ihre Kontakt mit der israelischen Stadt Pardes Hanna-Karkur im Jahr 2019 intensiviert und diese Freundschaft schließlich am 16. Dezember 2020 im Rahmen einer Videokonferenz in eine offizielle Städtepartnerschaft umgewandelt. So gelang es inmitten der weltweiten Corona-Pandemie, die Freundschaft, die auch historische Gründe hat, zu definieren.
Das neue Ziel heißt nun, eine weitere europäische Partnerschaft zu gründen, um das Profil abzurunden. Denn Städtepartnerschaften haben immer ein Absicht gemeinsam: einen möglichst breitgefächerten Austausch zu ermöglichen. Klassische Beispiele sind vor allem in den Bereichen Kultur, Bildung, Jugend, Sport, Wirtschaft oder Wissenschaft zu finden.
An der weltgrößten Friedensbewegung – der Städtepartnerschaftsbewegung – will die Stadt Bedburg teilnehmen!
► Stadt Vetschau (Deutschland)
Bereits seit Mitte der achtziger Jahre gab es in der Stadt Bedburg Bestrebungen, eine Städtepartnerschaft, insbesondere mit einer Stadt in der ehemaligen DDR, einzugehen. Diese Versuche scheiterten jedoch zunächst an der damaligen Führung der DDR, die nicht mehr als die 600 bereits bestehenden Patenschaften zulassen wollte.
Erste Kontakte mit Vertretern der Stadt Vetschau aus dem Braunkohlenbezirk Cottbus konnte die Stadt Bedburg daher erst nach der Öffnung der Mauer auf Vermittlung der stellvertretenden Landrätin des damaligen Erftkreises, Frau Furler-Zantopp, aufnehmen. Bei dem ersten Besuch einer Bedburger Delegation in Vetschau im März 1990 wurde eine gemeinsame Absichtserklärung der Städte zur Begründung einer Partnerschaft unterzeichnet. Im Mai 1990 besiegelten entsprechende Ratsbeschlüsse der beteiligten Partner die Übernahme einer Patenschaft.
Diese Patenschaft war nach den Kommunalwahlen in der DDR durch eine intensive Zusammenarbeit zwischen den beiden Stadtverwaltungen gekennzeichnet. Mehrere Mitarbeiter*innen der Stadt Bedburg übernahmen Beratungstätigkeiten und standen ihren Kollegen in Vetschau mit Rat und Tat zur Seite, um sie beim Aufbau einer funktionstüchtigen Kommunalverwaltung zu unterstützen. Parallel hierzu waren mehrere Mitarbeiter*innen der Stadt Vetschau zu Gast bei der Stadt Bedburg, um vor Ort Praxiserfahrungen für ihren Tätigkeitsbereich sammeln zu können.
Neben der Unterstützung durch Beratungen (u. a. Unterstützung beim Aufbau der Verwaltungsorganisation, einer grundlegenden Verwaltungsbibliothek sowie bei der Ausarbeitung und Erstellung des Orts- und Dienstrechts, der Einholung von Rechtsauskünften für anstehende Vertragsunterzeichnungen etc.) erfolgten auch finanzielle Hilfestellungen in Form von bereitgestellten Büromaterialien und Organisationsmitteln wie Diktiergeräten, Schreibmaschinen oder einem Kopiergerät. Zur Anschaffung von medizinischen Geräten erhielt die Poliklinik Vetschau auf Beschluss des Rates anlässlich des Tages der Deutschen Einheit einen Zuschuss in Höhe von 5.000 DM. Insgesamt stellte der Rat der Stadt Bedburg in den Jahren 1990 und 1991 Haushaltsmittel in Höhe von jeweils 40.000 DM zur Unterstützung der Stadt Vetschau zur Verfügung. Darüber hinaus gelang es, Dritte zu Unterstützungsleistungen für die Stadt Vetschau zu motivieren. Seit Ende 1992 ist keine regelmäßige Unterstützung der Verwaltung der Stadt Vetschau mehr erforderlich gewesen.
Außerdem fanden gegenseitige Straßenbenennungen in Vetschau und Bedburg statt: Der Rat der Stadt Bedburg hatte beschlossen, eine Straße in Bedburg als „Vetschauer Straße“ zu benennen. Im Gegenzug hat sich der Rat der Stadt Vetschau dafür ausgesprochen, eine Straße nach Bedburg zu benennen. Die Einweihung der „Bedburger Straße“ erfolgte am Tag der Deutschen Einheit, am 3. Oktober 1991, im Beisein einer Delegation Bedburger Rats- und Verwaltungsvertreter.
Manifestierung der Beziehung durch einen Partnerschaftsvertrag
Zur weiteren Intensivierung der Beziehungen besuchten in der Zeit vom 23. bis 25. Juni 2001 insgesamt 33 Personen aus Vetschau die Stadt Bedburg, darunter u. a. der Bürgermeister Vetschau's, Axel Müller, sowie
zahlreiche weitere Vertreter*innen aus Politik, Verwaltung und der dortigen Lokalpresse. Anlässlich dieses Besuches verständigten sich Bürgermeister Willy Harren und sein Amtskollege darauf, die bestehende Patenschaft nunmehr auch per Vertrag schriftlich zu manifestieren.
Die Gelegenheit dazu ergab sich in der Zeit vom 30. August bis 2. September 2002 im Rahmen der Feierlichkeiten anlässlich der urkundlichen Ersterwähnung der Stadt Vetschau/Spreewald vor 700 Jahren. Hierzu hatte Bürgermeister Axel Müller eine Bedburger Delegation eingeladen. Der offizielle Städtepartnerschaftsvertrag wurde während dieser Feierlichkeiten am 1. September 2002 im Stadtschloss der Niederlausitz-Stadt feierlich unterzeichnet, und zwar durch Willy Harren - Bürgermeister und Vorsitzender des Rates der Stadt Bedburg -, Axel Müller - Bürgermeister der Stadt Vetschau/Spreewald -, und Gerhard Michaelis - Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung Vetschau .
Der Schwerpunkt der Zusammenarbeit, der sich zunächst überwiegend auf kommunalpolitischer Ebene erstreckte, sollte nun verstärkt auf Kontakten zwischen den Vereinen, Verbänden und Schulen liegen. Das gemeinsame Ziel: dass in Zukunft nicht nur die Vertreter*innen aus Politik und Verwaltung nach Gemeinschaft und Harmonie streben, sondern vornehmlich auch die, die eine Städtepartnerschaft gründen und auch beleben - die Bürger*innen der Städte Vetschau/Spreewald und Bedburg. Solche Bürger*innen, die eine Städtepartnerschaft nicht nur protokollieren, sondern auch mit dem Geist der Freundschaft, Neugier und durch das Zusammenwachsen erfüllen.
Auf den Spuren des Strukturwandels in der Lausitz - Studienfahrt des Bedburger Geschichtsvereins nach Vetschau und Cottbus
Unter Leitung von Geschäftsführer Klaus Raape lud das DEPB (Deutschland- und Europapoltisches Bildungswerk NRW) in Zusammenarbeit mit Heinz Obergünner, dem Vorsitzenden des Vereins für Geschichte und Heimatkunde Bedburg e.V. , Anfang September 2022 zu einer Studienfahrt rund um das Thema Strukturwandel ein. Ein Highlight der Reise war ein Besuch in Bedburgs Partnerstadt Vetschau mit einer Führung in der Wendisch-Deutschen Doppelkirche sowie einem Empfang bei Bürgermeister Bengt Kanzler im Rathaus.
Die TeilnehmerInnen im Vetschauer Stadtschloss. © Spreewaldstadt Vetschau/Römelt
Restlos ausgebucht startete der Reisebus in Bedburg mit dem Ziel Spreewald. Seit 1990 befindet sich die Lausitz in einem Landschafts- und Strukturwandel, der einzigartig ist. Aus der Erblast der DDR wird die Zukunft einer ganzen Region gestaltet. Das Biosphärenreservat Spreewald – eine historische Kulturlandschaft – grenzt heute an eine riesige, künstlich geschaffene Seenlandschaft mit vielen Zeugnissen des ehemaligen Bergbaus. Überall dort, wo nach der Wende die Kohleförderung aufgegeben wurde, sind die Auskohlungsgebiete renaturiert und alte Industriebrachen in Freizeitlandschaften umgewandelt worden.
Die Gruppe hatte ein strammes Programm, welches sowohl Gespräche mit Kommunalpolitikern, Verbandsvertretern und Landtagsabgeordneten zu aktuellen Fragen der Politik als auch einen politischen Stadtrundgang in Cottbus beinhaltete. Mit Spannung wurde der Tagungspunkt „Vom Tagebau zur Seenlandschaft“ erwartet. Ein Thema, das auch die BedburgerInnen beschäftigt. Neben einem Besuch in einem Start-up-Unternehmen genossen die Gäste aus Bedburg eine Kahnfahrt auf den Fließen im Biosphärenreservat Spreewald.
Ein weiterer Höhepunkt der Reise war der Empfang im Rathaus Vetschau durch Bürgermeister Bengt Kanzler. Er bedankte sich für das Interesse des Vereins an seiner Stadt und die bestehende Städtepartnerschaft. Zudem freute sich der Gastgeber über die überreichten Grüße von Bürgermeister Sascha Solbach in Form eines Briefes und eines Geschenks. Er sprach das Interesse an einem Gegenbesuch in Bedburg aus, um die Städtepartnerschaft zu intensivieren und sich beim Thema des Strukturwandels abzusprechen, um sich künftig besser und gemeinschaftlich positionieren zu können. Die Idee kam bei den BesucherInnen gut an und wird in der Heimat ans Rathaus herangetragen.
Informationen zur Städepartnerschaft mit Vetschau - Historie der Partnerschaft
Auf einen Besuch in der Partnerstadt Vetschau: Sehenswürdigkeiten
Vertrag über die Städtepartnerschaft zwischen der Stadt Bedburg und der Stadt Vetschau
► Pardes Hanna-Karkur (Israel)
Die Stadt Pardes Hanna-Karkur mit 43.000 Einwohnern im israelischen Bezirk Haifa wurde nicht zuletzt wegen einiger langjähriger persönlicher Beziehungen als erste internationale Partnerstadt der Stadt Bedburg ausgewählt.
Historisch bedingt bestehen erste persönliche Kontakte zwischen den beiden Städten aufgrund der Vertreibung der Familie Franken im Jahr 1939. Die Familie Franken war bis Dezember 1938 Eigentümerin des historischen Rathauses in Bedburg. Im Rahmen der nationalsozialistischen Diktatur kaufte die Stadt Bedburg das Rathaus und die Familie wurde anschließend vertrieben. Schließlich suchten die Nachfahren der Familie Franken vor einiger Zeit Kontakt zur Stadtverwaltung. Ein Treffen fand im Frühjahr 2019 statt. Sowohl die politischen Vertreter*innen in Pardes Hanna-Karkur als auch die Nachkommen der Familie Franken wünschten sich eine Partnerschaft mit der Stadt Bedburg. Somit ist das historische und bedrückende Ereignis der Naziherrschaft in Bedburg zugleich Ursprung einer wachsenden Freundschaft und Städtepartnerschaft.
Der Abschluss der Städtepartnerschaft ermöglicht künftig Austausche im Schulbereich, auf Vereinsbasis und in den Fachdiensten der Stadtverwaltung. Die Beteiligung weiterer Bereiche wie der lokalen Wirtschaft ist ausdrücklich erwünscht. Die Partnerschaft ermöglicht den Bürger*innen, den internationalen Austausch auf einer lokalen Ebene zu erleben, um so Gemeinsamkeiten zu finden, die die Solidarität zwischen den Menschen und das Verständnis für das Fremde stärken. Von diesem interkulturellen Dialog profitieren alle Bedburger*innen und darüber hinaus rundet die Städtepartnerschaft das Bild Bedburgs als moderne Stadt mitten in Europa ab.
Ein weiterer Grund für eine Partnerschaft mit einer israelischen Stadt ist die Tatsache, dass das Land Nordrhein-Westfalen ein besonderes Verhältnis zu Israel pflegt. Anfang des Jahres 2020 öffnete das Büro des Landes Nordrhein-Westfalen für Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung, Jugend und Kultur in Israel seine Tore. Es hat die Aufgabe, die zahlreichen Aktivitäten Nordrhein-Westfalens in Israel zu bündeln, das Land vor Ort präsenter zu machen und neue Ideen für die Zusammenarbeit zu entwickeln.
Am 31. Oktober 2021 präsentierte die Stadt Bedburg gemeinsam mit dem Energiedienstleistungsunternehmen Westenergie auf Schloss Bedburg im Rahmen der Jüdischen Kulturwochen des Rhein-Erft-Kreises Jüdische Musikliteratur - interpretiert von einem Klavierduo der Extraklasse, den Geschwistern Anna und Ines Walachowski, in Verbindung mit einem speziell auf diesen Anlass zugeschnittenen Buffet von Martin Maaßen. Auf dem Programm standen u. a. Werke von Fanny Mendelssohn Hensel, Felix Mendelssohn-Bartholdy und Norbert Glanzberg.
Nicht fehlen durfte bei der Veranstaltung natürlich auch ein Videogruß von Hagar Perry Yagur, der Bürgermeisterin von Bedburgs Partnerstadt Pardes Hanna-Karkur in Israel:
Auch Yossi Meiri, Initiator der Städtepartnerschaft und direkter Nachkomme der Familie Franken, wendete sich in einer Videobotschaft an die Besucher*innen der Veranstaltung:
Alle, die nicht vor Ort dabei sein und die ausgestellten Bilder von Bedburgs Partnerstadt bewundern konnte, können hier einen Eindruck von eben dieser gewinnen.
Hier geht’s zur Website der Stadt Pardes Hanna Karkur.
Pardes Hanna Karkur - Stadtinformationen
Partnerschaftsurkunde (deutsche Übersetzung)
Bürgermeister Sascha Solbach auf Facebook über die Städtepartnerschaft mit Pardes Hanna Karkur
Büro des Landes Nordrhein-Westfalen in Israel
Hier geht's zur Bildergalerie der Stadt Pardes Hanna-Karkur.
#startupnation to Mittelstand:
Das Programm „#startupnation to Mittelstand“ verbindet israelische Top-Startups mit „Hidden-Champions“ sowie allen innovationsfreudigen Mittelständler*innen aus dem Rheinland. Die Zusammenarbeit mit den Startups unterstützt die mittelständischen Unternehmen, die Herausforderungen der digitalen Transformation besser zu meistern und ihren wirtschaftlichen Status zu verbessern – auch im internationalen Vergleich. (Pressemitteilung der Stadt Bedburg vom 09. Juli 2019)
► Mykolajiw (Ukraine)
Mykolajiw ist eine Stadt in der südlichen Ukraine mit etwa 480.000 Einwohnern am Schwarzen Meer gelegen. Sie ist kultureller Mittelpunkt des Gebietes mit Hochschulen und Theater. Die Stadt selbst ist überwiegend russischsprachig.
Mit dem Beginn des russischen Angriffskrieges am 24. Februar 2022 wurde in der Ukraine die größte Fluchtbewegung in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Die Bestürzung und Betroffenheit waren überall groß, auch in Bedburg wollten sich viele Bürgerinnen und Bürger engagieren und helfen. Aufgrund von privaten Kontakten und der schnellen Hilfe einiger Bedburgerinnen und Bedburger sind viele, vor allem Frauen und Kinder aus der ukrainischen Stadt Mykolajiw, nach Bedburg gekommen. Mittlerweile sind rund 300 Personen in Bedburg untergebracht, denn ihre Heimatstadt wird mit Streubomben beschossen.
Im Sommer 2022 erstellte der Bedburger Fotograf Matthias Sandmann eine Ausstellung „Geflüchteten ein Gesicht geben“, mit der er die oftmals anonyme Flucht der zu uns nach Bedburg gekommenen Menschen öffentlich machen will. Die Ausstellung zeigt, dass wir Zuwachs von Menschen bekommen haben, die nicht nur so aussehen wie wir, sondern die wir im Prinzip selber sein könnten.
Hier kommen Sie zur Ausstellung "Geflüchteten ein Gesicht" geben.
Als die Stadt die Stadt Mykolajiw im September ihr 233. Stadtjubiläum feierte, sendete Bürgermeister Sascha Solbach zu diesem Anlass ein Grußwort in die Ukraine:
Nach Ausbruch des Krieges hat die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) zur Gründung sogenannter Solidaritätspartnerschaften deutscher Kommunen mit ukrainischen Kommunen aufgerufen. Auch die Stadt Bedburg wollte sich hier beteiligen. Mit ihrer Unterschrift auf der offiziellen Urkunde besiegelten die Bürgermeister Oleksandr Syenkevich und Sascha Solbach am 2. November 2022 im Rahmen einer virtuellen Veranstaltung die Solidaritätspartnerschaft der Stadt Bedburg mit der ukrainischen Großstadt Mykolajiw. Die neue Partnerschaft mit der sich fast dauerhaft unter Beschuss befindenden Stadt aus der Südukraine soll als Grundlage für die Entwicklung einer langfristigen Freundschaft zwischen den beiden Städten dienen. Eine Freundschaft, die in einer turbulenten Zeit begonnen hat; alle Seiten hoffen, dass der Krieg bald endet und einen gemeinsamer Weg für die Zukunft gefunden werden kann.
Bedburg erlebt historisches erstes Treffen mit unseren Partnern aus Pardes Hanna-Karkur
„Dieser Tag hat einen Platz in den Bedburger Geschichtsbüchern verdient“, sagte Bürgermeister Sascha Solbach auf dem jüdischen Friedhof in Bedburg. Dieser Satz trifft im Falle des ersten persönlichen Treffens mit Vertreterinnen und Vertretern der israelischen Partnerstadt Pardes Hanna-Karkur vollends zu. In der letzten Woche im Juli 2022 waren direkte Nachfahren der Familie Franken zu Gast in Bedburg. Nachfahren jener Familie, der bis kurz nach der Reichspogromnacht 1938 das Gebäude auf der Friedrich-Wilhelm-Straße 43 gehörte, das bis ins Jahr 2020 als Rathaus der Stadt Bedburg diente.
Besonders bemerkenswert war dabei der Besuch der mittlerweile 95-Jährigen Hannah Monin, die 1927 als Hilde Edith Franken in Düsseldorf zur Welt kam und nun in Tel Aviv lebt. Als Kind besuchte sie ihre Großmutter Frieda Franken im jetzt ehemaligen Rathaus am Bedburger Marktplatz an den Wochenenden und zu Feierlichkeiten regelmäßig. Ihren Großvater Hermann Franken lernte sie nie kennen, er starb bereits 1916 in Bedburg. Begleitet wurde sie von ihrer Tochter Daphna Arditi und ihrem Großneffen Yossi Meiri, der selbst in Pardes Hanna-Karkur lebt und an der Gründung der Städtepartnerschaft mit der Stadt Bedburg im Dezember 2020 maßgeblich beteiligt war.
Mit auf die Reise kamen auch 25 Jugendliche der Tanzgruppe Hora Aviv Pardes Hanna-Karkur sowie Vertreterinnen und Vertreter der Stadt Halver, die mit der Tanzgruppe seit 32 Jahren eine enge Freundschaft pflegen. Gemeinsam erhielten sie vom Vorsitzenden des Geschichtsvereins Bedburg, Heinz Obergünner, zu Beginn ihres Besuchs eine Stadtführung in Alt-Kaster.
Heinz Obergünner vom Geschichtsverein Bedburg
führte die Gäste durch Alt-Kaster.
Anschließend ging es zum Aussichtspunkt :terra nova am Rand des Tagebaus Hambach, wo Bürgermeister Sascha Solbach den von der Aussicht beeindruckten Gästen die aktuellen Aufgaben des Strukturwandels in unserer Region erklärte. Schon da wurden die ersten Gemeinsamkeiten mit den neuen Partnern aus Pardes Hanna-Karkur deutlich. Denn auch die Stadt nördlich von Tel Aviv befindet sich derzeit mitten im Transformationsprozess.
Bedburgs Bürgermeister Sascha Solbach berichtete die
Herausforderungen des Strukturwandels in unserer Region.
Verschollene Grabplatte wieder an ihrem Platz
Bei der folgenden Zeremonie am jüdischen Friedhof in Bedburg wurde es das erste Mal emotional. Denn am Grab von Hermann Franken fehlte über Jahrzehnte eine Bronzetafel im Kronstein. Durch Zufall hatte Stadtarchivar Bastian Möller das Epitaph beim Umzug des Archivs in den neuen Anbau des Kasterer Rathauses gefunden. Mit Hilfe von Heinz Obergünner konnte die Platte dem Grabstein zugeordnet und auch die hebräische Aufschrift der Tafel übersetzt werden: „Auf deine Hilfe hoffe ich, Ewiger“.
Das bereits als verschollen geglaubte Fundstück konnte zur Freude seiner Nachfahren wieder am Grab von Hermann Franken angebracht und somit das erste Puzzleteil zusammengefügt werden. „Wir haben uns zwar nie kennengelernt und trotzdem spüre ich eine Verbindung zwischen uns. Ich bin dankbar, dass ich jetzt an deinem Grab stehen darf und bin froh, dass es wieder komplett ist“, sagte Yossi Meiri, den Bürgermeister Sascha Solbach wiederum als „Brückenbauer“ der Städtepartnerschaft bezeichnete.
Bastian Möller (Stadtarchivar), Heinz Obergünner (Vor-
sitzender des Geschichtsvereins Bedburg), Yossi Meiri
(Initiator der Städtepartnerschaft), Hannah Monin (Zeit-
zeugin), Daphna Arditi (Tochter von Hannah Monin),
Sascha Solbach (Bürgermeister Stadt Bedburg), Yoni Ha-
kimi (Mitglied des Stadtrats in Pardes Hanna-Karkur),
Anna Noddeland (Stabsstelle Soziale Stadt) am Grab
von Hermann Franken.
Seine Tante Hannah Monin erklärte den Jugendlichen derweil eindrucksvoll, welche Bedeutung ihr Besuch in Bedburg vor allem in Bezug auf die Zeit des Nationalsozialismus hat: „Hitler hat versucht uns zu vernichten und hat es nicht geschafft. Wir haben vor Hitler gelebt und leben jetzt immer noch. Und weil er jetzt nicht mehr da ist, ist es umso wichtiger, dass wir zeigen, wir sind da. Auch für die Juden, die die NS-Zeit damals leider nicht überlebt haben.“ Die Jugendlichen, die den Worten der 95-Jährigen aufmerksam lauschten, rundeten die sehr emotionale Zeremonie mit einer bewegenden Mischung aus Gesang und Tanz ab.
Gemeinsam Brücken bauen
Am Abend bekräftigten Bedburgs Bürgermeister Sascha Solbach, sein Halveraner Amtskollege Michael Brosch, Andreas Becker aus dem Landesbüro Israel der Staatskanzlei NRW und Yoni Hakimi, Mitglied des lokalen Stadtrats in Pardes Hanna-Karkur, beim Festakt im Schloss die Wichtigkeit dieser Städtepartnerschaft und kündigten an, dass diese zu einem Dreiecksbündnis erweitert werden soll. „Wenn man heiratet, bekommt man schließlich auch die Familie mit“, sagte Michael Brosch, Bürgermeister der Stadt Halver mit einem Lächeln.
„Lasst uns im Herzen tragen: Bedburg ist eine Stadt für alle. Und am heutigen Tage setzen wir hierfür den ersten Schritt auf unsere gemeinsam gebaute Brücke. Wir müssen aus der Vergangenheit lernen, in der Gegenwart handeln, um die Partnerschaft in Zukunft weiter auszubauen“, erklärte ein sichtlich bewegter Sascha Solbach, der zum Abschluss seiner Rede nochmals bekräftigte: „Lasst uns im Herzen tragen: Bedburg ist eine Stadt für alle.“
Familie Gummersbach überreicht den Franken-Gebetsteppich
Im Gespräch mit Anna Noddeland, verantwortlich für die Städtepartnerschaft auf Bedburger Seite, teilte Hannah Monin dann die Erinnerungen an ihre Kindheit mit den 200 anwesenden Gästen. „Meine Freundinnen wollten plötzlich nichts mehr mit mir zu tun haben. Die Eltern hatten vermutlich Angst davor, wenn rausgekommen wäre, dass ihre Kinder Kontakt zu Juden hatten. Doch als Kind habe ich das nicht verstanden“, sagte die nun 95-Jährige, die bis zu ihrem elften Lebensjahr in Deutschland lebte. „Wir waren doch alle normale Menschen.“
Gemeinsam mit ihrer Schwester floh sie im Januar 1939 über die Niederlande nach Israel. Ihre Großmutter Frieda, ihr Onkel Albert und ihr Vater Josef wurden im Anschluss an die Reichspogromnacht ins Konzentrationslager Dachau verschleppt und später freigelassen. Das Wohnhaus am Bedburger Marktplatz, heute bekannt als historisches Rathaus, musste die Familie unter politischem Druck verkaufen.
Die Flucht der Familie mitbekommen hat damals die Familie Gummersbach, die seit 1909 ein Geschäft in der Bedburger Innenstadt führt. „Eines Abends im Jahr 1938 klingelte es an der Tür“, erzählte Frank Gummersbach, der die Drogerie heute gemeinsam mit seinem Vater Dieter führt. „Die Familie Franken musste fliehen und gab ihren Gebetsteppich bei meinen Urgroßeltern ab. Ob zur Verwahrung oder als Andenken, das wissen wir leider nicht“, fuhr er fort.
Der Teppich wurde dann von Urgroßvater Robert Gummersbach aufbewahrt, was nicht ganz ungefährlich war. „Eigentlich durften Juden nicht mehr bedient werden. Doch meinen Urgroßvater hat das Verkaufsverbot nicht wirklich interessiert“, erklärte Frank Gummersbach, der sich anschließend an die Nachfahren der Familie Franken wandte und auch die anwesenden Gäste zu Tränen rührte. „Alle haben gewusst, was mit den Juden passiert. Doch niemand hat etwas dagegen unternommen, alle haben geschwiegen. Ich entschuldige mich heute für das Schweigen und hoffe, dass so etwas in Zukunft nie mehr passiert."
Die Familie Gummersbach gibt den Gebetsteppich
an die Nachfahren der Familie Franken zurück.
Anschließend gab die Familie Gummersbach den Gebetsteppich, den sie über 80 Jahre verwahrte, an die sichtlich bewegten Nachfahren der Familie Franken zurück. „Wir alle sollten immer den Menschen helfen, die vernichtet werden sollen, ohne dass sie jemandem etwas getan haben“, sagte eine zuvor sprachlos wirkende Hannah Monin. Bürgermeister Sascha Solbach fügte nach der Übergabe des Gebetsteppichs hinzu: „Nun kommt zusammen, was zusammen gehört."
Zum Abschluss des Abends präsentierten die Jugendlichen aus Israel, die als eine der besten Tanzgruppen des Landes gelten, eine vielfältige Performance mit Tänzen aus unterschiedlichsten Kulturen. Mit spanischen, jemenitischen und indischen Tänzen beeindruckten sie das Publikum. Als krönenden Abschluss animierten sie das Publikum zum Mitmachen und tanzten gemeinsam mit ihnen im Rittersaal des Schlosses.
Die Tanzgruppe Hora Aviv Pardes Hanna-Karkur begeistert
die Gäste mit einer tollen Performance aus verschiedenen Tänzen.
Rückkehr ins alte Rathaus
„Wir haben die Partnerschaft nach den coronabedingt zunächst nur virtuell stattfindenden Treffen nun endlich hier vor Ort mit Leben füllen können. Es war mir eine große Ehre, die Nachfahren der Familie Franken hier persönlich kennenlernen zu dürfen. Mein größter Respekt gilt Hannah Monin, die die Reise trotz ihres hohen Alters auf sich genommen und mich mit ihrer lebensfrohen Art zutiefst beeindruckt hat“, so Sascha Solbach.
Am darauffolgenden Tag besuchte Hannah Monin gemeinsam mit ihrer Tochter Daphna und ihrem Großneffen Yossi das ehemalige Wohnhaus ihrer Vorfahren gegenüber vom Bedburger Marktplatz. „Die Treppe ist noch dieselbe und im Garten habe ich immer mit meiner Schwester gespielt. Sonst hat sich aber vieles verändert“, sagte Hannah Monin, die zum Ende ihres Besuchs noch eine wichtige Botschaft für alle nachfolgenden Generationen hatte: „Wichtig ist, nicht zu vergessen. Denn Leute aufzuhetzen ist einfach, das merkt man auch heute noch. Doch wenn man gemeinsam Brücken baut und diese Partnerschaft auch im jugendlichen Alter pflegt, können für die Zukunft daraus Freundschaften entstehen.“
Yossi Meiri, Hannah Monin und Daphna Arditi kehren
zum ehemaligen Wohnhaus ihrer Vorfahren zurück.
Bei den Planungen für die Weiternutzung des historischen Rathauses sollen die Wünsche und Gedanken der Nachfahren berücksichtigt werden. Als Erinnerung an die Familie Franken bekommen unsere neuen Partner einen Erinnerungsraum, der bei einem Besuch unserer israelischen Gäste als Unterkunft dienen soll. Der Abschied der ereignisreichen Tage fiel allen schwer, erleichtert wurde er aber durch die Einladung zu einem baldigen Treffen in Pardes Hanna-Karkur.
Hier geht es zur Bilder-Galerie des Deutsch-Israelischen Partnerschaftstages
Weitere Berichte zum Deutsch-Israelischen Partnerschaftstag:
Ein Tag mit den israelischen Tänzern | Teil 1
Bedburg – Ein spannender und emotionaler Tag
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Institut für europäische Partnerschaften und internationale Zusammenarbeit e.V.
Außerdem ist die Stadt Bedburg seit 2014 Mitglied im Institut für europäische Partnerschaften und internationale Zusammenarbeit e.V., welches seit 1990 als gemeinnütziger Verein Partnerschaftskomitees, Kommunen und Bildungseinrichtungen in ihrer internationalen Projektarbeit und der Weiterentwicklung ihrer partnerschaftlichen Beziehungen unterstützt.
Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE)
Auch der Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE), ein Verband, der sich der Partnerschaftsbewegung stark verbunden fühlt, fördert die Partnerschaftsarbeit der Stadt Bedburg. So veröffentlich der RGRE zum Beispiel eine Datenbank der kommunalen Partnerschaften. Der Dachverband der RGRE ist der Der Rat der Gemeinden und Regionen Europas (CEMR). Dieser versorgt die Stadt Bedburg ebefalls auf der Website www.twinning.org mit aktuellen Informationen über Städtepartnerschaften und unterstützt sie bei der Suche nach neuen Partnern.
Interessierte Bürger*innen sowie Vereine und Institutionen, die einen Beitrag zu den Städtepartnerschaften leisten oder aktiv an Projekten mitwirken möchten, sind eingeladen die zuständige Mitarbeiterin der Stadt Bedburg, Anna Noddeland, unter a.noddeland@bedburg.de oder 02272-402-135 zu kontaktieren.